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Das Retinoblastom ist der häufigste maligne Augentumor im Kindesalter. Leitsymptome sind Leukokorie und Strabismus. Wird der Tumor erkannt, solange er auf das Auge beschränkt ist, überleben >95% der Kinder.
Retinoblastom: Übersicht
Definition
Epidemiologie
Ursachen
Pathogenese
Symptome
ICD-10 Code
- C69.2 - Bösartige Neubildung: Retina
Definition
Das Retinoblastom (ICD-10 C69.2) ist ein bösartiger Netzhauttumor und das häufigste intraokuläre Malignom im Kindesalter. Ursache ist eine genetische Veränderung in beiden Kopien des Tumorsuppressorgens RB1. Retinoblastome können sporadisch oder als erbliche Form mit autosomal-dominantem Erbgang auftreten. Die wichtigsten Symptome sind Strabismus und Leukokorie.
Die Diagnose wird durch eine gründliche Augenuntersuchung, Bildgebung und eine molekulargenetische Analyse gestellt. Die Therapie hängt vom Ausmaß des Tumors ab und umfasst die Entfernung des Auges (Enukleation), Chemotherapie (ggf. in Kombination mit Laserhyperthermie), Brachytherapie oder eine Kombination dieser Methoden.
Die Prognose ist abhängig vom Stadium der Erkrankung und dem Alter des Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Wenn das Retinoblastom frühzeitig erkannt und behandelt wird, haben die meisten Kinder eine gute Prognose mit einer Überlebensrate von über 95%. Das metastasierte Retinoblastom hingegen ist trotz multimodaler Therapie mit einer hohen Mortalität assoziiert [1,2].
Epidemiologie
Das Retinoblastom ist mit einer Inzidenz von 1:15.000–20.000 global der häufigste intraokulare Krebs im Kindesalter [3]. Somit gibt es weltweit etwa 9.000 Neuerkrankungen pro Jahr. In Deutschland sind jährlich etwa 40 Neudiagnosen zu erwarten [4].
In rund 60% der Fälle handelt es sich um ein unilaterales Retinoblastom, in circa 40% sind beide Augen befallen (bilaterales Retinoblastom) [4].
Nahezu alle betroffenen Kinder sind jünger als fünf Jahre [1]. In Ländern mit hohem Einkommen und hochentwickelter medizinischer Versorgung wird die Erkrankung meist entdeckt, solange das Tumorwachstum noch auf das Augeninnere beschränkt ist.
Die mediane Diagnose erfolgt im Alter von 14,1 Monaten. Bei Kindern aus Ländern mit niedrigem Einkommen wird ein Retinoblastom erst deutlich später im Alter von rund 30,5 Monaten diagnostiziert. Erstdiagnosen im Erwachsenenalter sind extrem selten [5].
Von der gesamten Retinoblastom-Population sind 28% in Afrika südlich der Sahara zu finden [3]. Während die Überlebensraten in einigen Industrieländern wie den USA und Kanada nahezu 100% betragen, sind die Überlebensraten in Afrika immer noch sehr niedrig. Das ist vor allem auf die späte Diagnose der Krankheit zurückzuführen [3].
Ursachen
Retinoblastome entstehen aus sich noch entwickelnden proliferationsfähigen Netzhautzellen und können sporadisch oder als erbliche Form mit autosomal-dominantem Erbgang auftreten [6]. Bei fast allen Kindern (etwa 94%) mit bilateralem Retinoblastom und etwa 10% der Kinder mit unilateralem Befall liegt die hereditäre Form vor [2]; das sind fast 50% der Betroffenen. Bei etwa 10% besteht eine positive Familienanamnese [4].
Hauptursache eines Retinoblastoms sind Mutationen in beiden Allelen des Retinoblastom-Gens (RB1-Gen), das für das Tumorsuppressor-Protein pRB kodiert. Dies führt zu einem Verlust der RB1-Expression (Nullallel) oder einem (partiellen) Verlust der Tumorsuppressor-Funktion des mutierten Proteins. Das auf Chromosom 13q14 lokalisierte RB1-Gen wurde 1986 als erstes Tumorsuppressorgen kloniert und sequenziert [7].
Vererbung und postzygote Mutationen
Knudson postulierte bereits 1971 seine „two-hit hypothesis“, nach der zwei Mutationen eines einzelnen Gens zur Entstehung eines Retinoblastoms notwendig sind [8]. Heute weiß man, dass bei hereditären Retinoblastomen die erste Mutation entweder von einem Elternteil vererbt wird oder de novo in einer Ei- bzw. Samenzelle eines nicht erkrankten Elternteils auftritt. Eine zweite Mutation in einer Zelle der unreifen Netzhaut löst dann die Entstehung des Tumors aus.
Bei der nicht erblichen Form finden beide Mutationen in den Retinazellen statt, ein- und beidseitige Tumore sind möglich.
Bei einigen Kindern mit beidseitigem Retinoblastom liegt ein somatisches Mosaik vor. Das bedeutet, dass die erste Mutation eines der beiden Allele des RB1-Gens erst während der Embryonalentwicklung (also postzygot) aufgetreten ist.
Tumorprädispositionssyndrom
Das hereditäre Retinoblastom ist der Prototyp eines Tumorprädispositionssyndroms (TPS). Diese Kinder haben ein erhöhtes Risiko, weitere extraokuläre Tumorerkrankungen zu entwickeln. Assoziierte neuroblastische Tumore können intrakraniell in der Mittellinie auftreten – typischerweise in der Pinealisregion, aber auch suprasellär – und werden als „trilaterales Retinoblastom“ bezeichnet. Andere, mit dem erblichen Retinoblastom assoziierte Tumore sind in erster Linie Osteosarkome und Weichteilmalignome, aber auch Melanome und epitheliale Tumore. Eltern geben die Mutation mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Kinder weiter [6].
Bei der nicht hereditären Form manifestiert sich der Tumor nur an einem Auge. Das Risiko für weitere Primärtumorerkrankungen ist nicht erhöht und die Erkrankung wird nicht auf die Nachkommen übertragen.
Genetische Beratung für betroffene Familien
Bei >95% der Retinoblastom-PatientInnen können die genetischen Abweichungen, die die Erkrankung verursachen, identifiziert werden [4]. Da ein unilateraler Befall allein keine Aussage über die Vererbung zulässt, wird bei allen Betroffenen eine Mutationsanalyse aus Blut und gegebenenfalls Tumorgewebe veranlasst. Wird die Mutation identifiziert, kann sie bei weiteren möglicherweise betroffenen Familienmitgliedern wie beispielsweise Geschwisterkindern gezielt ausgeschlossen werden. Das hilft, belastende Untersuchungen zu vermeiden. Eine Mutationsanalyse und genetische Beratung werden allen Familien als Betreuungsstandard angeboten [1].
Pathogenese
Die Entstehung eines Retinoblastoms wird primär durch Mutationen im Retinoblastom-Tumorsuppressor-Gen (RB1) initiiert, wodurch das RB1-Protein seine Funktion als Tumorsuppressor verliert. Ohne die pRB-Kontrolle können die betroffenen Retinoblasten unkontrolliert wachsen.
Zusätzlich beeinflussen Veränderungen in anderen Genen wie MYCN (Myelinogenes Neuroblastom-Onkogen), BIRC5 (Baculoviral IAP Repeat Containing 5) und E2F3 (E2F Transcription Factor 3) die Entstehung von Retinoblastomen. Diese Gene sind an der Zellproliferation und Apoptose beteiligt. Eine Genamplifikation kann zur erhöhten Zellproliferation und Tumorbildung beitragen.
Symptome
Leitsymptome sind Leukokorie und Strabismus im frühen Kindesalter. Diese können unilateral oder bilateral auftreten.
- Der weißliche Pupillenreflex, der als Leukokorie oder „Katzenauge“ bezeichnet wird, fällt bei Blitzlichtaufnahmen oder direkter Beobachtung auf. Meist bemerkt ein Elternteil, dass eine Pupille bei bestimmten Lichteinfallswinkeln in abgedunkelter Umgebung weiß erscheint. Dieses Phänomen ist auch bei anderen visusbedrohenden Erkrankungen wie Katarakt möglich und sollte genauso wie das Fehlen der roten Pupille auf Blitzlichtfotos unverzüglich augenärztlich abgeklärt werden.
- Das zweite Initialsymptom ist ein plötzliches Schielen durch Einbeziehung des hinteren Augenpols in das Tumorwachstum. Auch diese Kinder sollten so bald wie möglich einer Fundusuntersuchung unterzogen werden.
Als weitere Warnzeichen deuten ein gerötetes, entzündetes und schmerzhaftes Auge ohne Infektion oder eine veränderte Irisfarbe auf ein Retinoblastom hin. Ältere Kinder könnten eine Verschlechterung des Sehvermögens auf einem Auge bemerken.
Diagnostik
Eine frühzeitige Diagnose des Retinoblastoms kann das Sehvermögen und nicht zuletzt das Leben eines Kindes retten. Deshalb ist bei jedem Verdacht unmittelbar, das heißt innerhalb von wenigen Tagen, eine Überweisung an eine ophthalmologische Praxis zur Untersuchung des Augenhintergrunds angezeigt. Bestätigt sich der Retinoblastom-Verdacht, muss das Kind so rasch wie möglich an ein spezialisiertes Zentrum weitergeleitet werden.
Die Retinoblastom-Diagnose basiert auf der Anamnese, Klinik und augenärztlichen Erstuntersuchung. Im Regelfall wird diese mit einer Druckmessung, Fundusbildgebung, Ultraschalluntersuchung und Magnetresonanztomografie (MRT) sowie ggf. einer optischen Kohärenztomographie (OCT) komplettiert. Bei Verdacht auf eine fortgeschrittene Erkrankung sind eine Lumbal- und Knochenmarkpunktion sinnvoll.
Brückner-Test
Der Brückner-Test kann helfen, eine Leukokorie frühzeitig zu erkennen. Bei diesem Test wird mit einem Augenreflexmesser oder einem Augenspiegel das reflektierte Licht aus dem Auge des Kindes untersucht. Bei Vorliegen einer Leukokorie erscheint die Pupille weiß statt schwarz, da das reflektierte Licht von der weißen Oberfläche des Tumors oder anderen Anomalien im Auge zurückgestrahlt wird.
In Deutschland wird der Test verpflichtend ab der Früherkennungsuntersuchung U4 bis zur U7 durchgeführt. Das soll eine frühere Diagnose eines Retinoblastoms und anderer, das Sehvermögen gefährdender Erkrankungen wie eine kongenitale Katarakt oder Strabismus ermöglichen.
Fundusuntersuchung
Gibt es Hinweise auf ein Retinoblastom, insbesondere bei Strabismus, sind eine Spaltlampenuntersuchung und eine Untersuchung der gesamten Netzhaut unter Eindellen der Fundusperipherie indiziert. Die Fundusuntersuchung erfolgt in Narkose mit medikamentös erweiterten Pupillen. So können die Retina komplett beurteilt und auch peripher gelegene Tumore detektiert werden.
- Zu Beginn des Tumorwachstums finden sich kleine weißliche, beginnend vaskularisierte Tumore, die im Anfangsstadium kaum das Netzhautniveau verlassen und leicht übersehen werden können.
- Im Verlauf kann das Retinoblastom exophytisch (unter die Netzhaut) oder endophytisch (in den Glaskörperraum) wachsen, Mischformen sind möglich. Bei germinaler Mutation ist ein multifokales, beidseitiges Tumorwachstum denkbar. Es finden sich sub- und/oder epiretinal größere, häufig partielle spontan verkalkte Tumore mit umgebender exsudativer Netzhautablösung und einer deutlichen, an das retinale Gefäßsystem angebundenen Vaskularisation.
- Wachsen Retinoblastome ungehindert weiter, infiltrieren sie die Aderhaut und können über den N. opticus in den Subarachnoidalraum eindringen oder sich extraskleral (inklusive einer orbitalen Mitbeteiligung) ausdehnen.
Eine diffuse Aussaat ist bereits bei relativ kleinen Retinoblastomen möglich, was die lokalen Therapieaussichten erheblich verschlechtert. Die Aussaat kann regional auf die unmittelbare Tumorumgebung begrenzt sein, sich aber auch diffus schneegestöberartig im gesamten Glaskörperraum ausbreiten.
Ultraschall
Die Ultraschalluntersuchung, eventuell auch mit einem Ultraschallbiomikroskop, dient insbesondere zur anterioren Abgrenzung des Retinoblastoms, zur Abklärung einer möglichen Infiltration des N. opticus und der Aderhaut sowie zur Größenbestimmung des Tumors.
Magnetresonanztomografie
Mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) von Orbita und Schädel können Aderhautinvasionen und eine Mitbeteiligung des N. opticus dargestellt sowie intrakranielle Raumforderungen ausgeschlossen werden. Eine Computertomografie (CT) sollte wegen der damit verbundenen Strahlenbelastung nicht durchgeführt werden.
Fotodokumentation und Fluoreszenzangiographie
Die Fotodokumentation mit handgehaltener Weitwinkelkamera und Hornhautkontaktlinse gehört zur Routinedokumentation. Damit können Therapieeffekte beurteilt und mögliche Rezidive frühzeitig entdeckt werden.
Die Fluoreszenzangiographie ist eine Kontrastmitteldarstellung der Augenhintergrundstrukturen, mit der insbesondere das Gefäßsystem beurteilt wird. Wesentliche Indikationen sind:
- Abgrenzung gegen andere intraokulare Tumoren des Kindesalters
- Abklärung einer bestehenden Irisneovaskularisation
- Postoperative Kontrolle nach intraarterieller Chemotherapie und Strahlentherapie zum Ausschluss vaskulärer Komplikationen
- Nachweis von tumoreigenen Gefäßen bei Verdacht auf Tumorrezidiv
Optische Kohärenztomografie
Die optische Kohärenztomografie (OCT) ist ein auf der Technik der Weißlicht-Interferometrie beruhendes Verfahren zur optischen Darstellung von Gewebeschichten. Die Erfahrungen bei Retinoblastomen sind noch begrenzt. Die bisherigen Ergebnisse zeigen aber, dass die OCT insbesondere von Vorteil ist bei der [9,10]:
- Frühdiagnose sehr kleiner Retinoblastome
- Abgrenzung einer Aderhautinfiltration
- Erkennung von sich epipapillär ausbreitenden Tumorzellen
- Abgrenzung eines diffusen anterioren Retinoblastoms
- Präzisieren der Glaskörperaussaat
Klassifikation
Obschon es für das Retinoblastom eine TNM-Klassifikation gibt, hat sich weltweit die International Classification of Retinoblastoma (ICRB) etabliert. Diese wird den klinischen Anforderungen besser gerecht und ermöglicht einen (wenn auch nicht perfekten) Konsens zwischen den Zentren (nicht alle Einrichtungen benutzen die exakt gleichen Klassifikationen).
Alle gebräuchlichen Modifikationen der ICRB-Klassifikation beschreiben Tumoren der Gruppe A (kleine Retinoblastome außerhalb des Gefäßbogens) bis Gruppe E (fortgeschrittene Fälle mit Pseudohypopyon, Phthisis und Sekundärglaukom).
International Classification of Retinoblastoma (ICRB), Philadelphia Version [11]
Gruppe A | kleine intraretinale Tumore außerhalb der Fovea und der Papille |
|
Gruppe B |
|
|
Gruppe C | abgrenzbare Retinoblastome mit minimaler subretinaler oder intravitrealer Aussaat | umschriebenes Retinoblastom mit:
|
Gruppe D | diffuse Tumorausbreitung mit fortgeschrittener subretinaler oder intravitrealer Aussaat: |
|
Gruppe E | extensive Erkrankung |
|
Differenzialdiagnose
Andere Erkrankungen können ähnliche Symptome aufweisen wie ein Retinoblastom. Bedeutsame Differenzialdiagnosen sind:
- Morbus Coats:
o kongenitale, überwiegend unilaterale Erkrankung des retinalen Gefäßsystems, die vorwiegend männliche Kinder bzw. Jugendliche betrifft
o Symptomatik reicht von einzelnen parafoveolären Teleangiektasien bis hin zur totalen Netzhautablösung mit Rubeosis iridis und Sekundärglaukom - Persistierender fetaler Glaskörper (persistent fetal vasculature [PFV]):
o seltene, überwiegend unilaterale vitreoretinale Malformation, die durch eine retrolentale fibrovaskuläre Masse aufgrund von Defekten in der primären Glaskörperregression gekennzeichnet ist - Medulloepitheliom
o seltener Tumor des Ziliarepithels, der im Kindergartenalter auftritt
o unterschiedliche Differenzierungsgrade von hochmaligne bis zu völlig ausdifferenziertem ektopischem Gewebe möglich - Astrozytom
o häufigste zerebrale Neoplasie
o von Grad I (niedrigmaligne) bis Grad IV (hochmaligne) möglich - Kolloidzysten
o flüssigkeitsgefüllter Hohlraum im Bereich der Hypophyse
o können Sehstörungen verursachen, wenn sie auf den Sehnerv drücken
Therapie
Kinder mit Verdacht auf Retinoblastom sollten in spezialisierten Zentren von einem multidisziplinären Team aus Ophthalmologen, Kinderonkologen, Radiologen, Strahlentherapeuten, Pathologen und Genetikern behandelt werden. Um ein bestmögliches Outcome zu erreichen, sind eine frühzeitige Diagnose, eine genaue Stadieneinteilung und eine geeignete Therapieplanung erforderlich. Primär zielt die Behandlung darauf ab, die Überlebensrate und die Lebensqualität der betroffenen Kinder zu verbessern.
In den letzten Jahrzehnten hat es bei der Therapie von Retinoblastomen mehrere Paradigmenwechsel gegeben. Aktuell gibt es für einige Behandlungssituationen weitgehende Übereinstimmung, wenngleich die Behandlung bei bilateraler Erkrankung je nach Zentrum variieren kann.
Enukleation
Die am längsten angewandte Therapie ist die Enukleation. Noch immer ist die operative Entfernung des Auges die Therapie der Wahl bei weit fortgeschrittener intraokularer Erkrankung (ICRB Gruppe E und D), insbesondere bei unilateralen Tumoren mit erloschener Funktion des Auges [7] oder als sekundäre Enukleation nach Versagen konservativer Therapieansätze [12].
Sofern das Retinoblastom bestimmte anatomische Strukturen nicht überschritten hat, ist die Enukleation ohne weitere Behandlung kurativ. Bei einem erhöhten Metastasierungsrisiko ist eine zusätzliche Chemotherapie erforderlich.
Zur Verbesserung der kosmetischen Ergebnisse sollte die Enukleation immer mit der Platzierung eines Orbitaimplantats kombiniert werden.
Strahlentherapie
Perkutane Strahlentherapie
Vor den 1990er Jahren war die perkutane Strahlentherapie die bevorzugte Behandlungsmethode für ein bilaterales Retinoblastom. Bei Personen mit einer germinalen Mutation stieg jedoch das Risiko für die Entstehung maligner Zweittumore. Deshalb wird die perkutane Strahlentherapie mittels Photonen in der Behandlung des Retinoblastoms nicht mehr eingesetzt. Einige Zentren untersuchen derzeit die Möglichkeit einer Protonenstrahltherapie als Alternative, jedoch bedarf es hier noch weiterer Evaluation [2].
Brachytherapie
Durch den Einsatz von radioaktiven Applikatoren bei der Brachytherapie ist eine Bestrahlung intraokularer Retinoblastome möglich, ohne das Risiko der Entstehung von Zweittumoren zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für die Verwendung von Beta-Applikatoren mit 106-Ruthenium als Strahlenquelle, die eine Bestrahlung extraokulärer Strukturen zuverlässig vermeiden.
Multifokale oder große Tumore sowie eine ausgedehnte Glaskörperinfiltration lassen sich nicht ausreichend mit einer lokalen Strahlentherapie behandeln. Damit ist die Indikation der Brachytherapie nur auf Tumore der Gruppe B und C begrenzt. Tumore im Äquatorbereich oder der anterioren Netzhaut haben die beste Prognose bezüglich der lokalen Tumorkontrolle und Vermeidung von radiogenen Komplikationen [2].
Als sehr effektiv erwiesen haben sich eine systemische Chemotherapie zur Tumorverkleinerung (Chemoreduktion) und eine sich anschließende Brachytherapie [13,14].
Systemische Chemotherapie, Thermochemotherapie
Früher war die perkutane Strahlentherapie die bevorzugte Behandlung für fortgeschrittene Retinoblastome; die systemische Chemotherapie wurde hauptsächlich als adjuvante Therapie für Hochrisikotumore verwendet. Aufgrund des erhöhten Risikos für radiogen induzierte Zweittumore wandelte sich die systemische Chemotherapie aber zur Therapie der ersten Wahl für die meisten fortgeschrittenen uni- und bilateralen Retinoblastome, bei denen eine lokale Therapie allein nicht ausreicht. Ob die lokoregionäre (intraarterielle Chemotherapie) diese Präferenz ändern kann, ist aufgrund der noch unzureichenden Datenlage nicht abschätzbar [2].
Für die Chemotherapie von Retinoblastomen setzen die meisten Zentren weltweit eine Kombination aus Vincristin, Etoposid und Carboplatin (VEC-Schema) ein [15]. Zur Beurteilung der Tumorregression wird die Dunphy-Klassifikation verwendet:
- Typ 0: komplette Regression
- Typ 1: komplette Regression mit kalzifizierten Überresten
- Typ 2: fischfleischartige Regression ohne Kalzifikation
- Typ 3: Kombination aus Typ 1 und Typ 2
- Typ 4: atrophe chorioretinale Narbe
Die systemische Chemotherapie allein kann nur in wenigen Fällen den Tumor vollständig zerstören. Daher ist bei der Mehrzahl der Retinoblastom-Erkrankten eine konsolidierende Therapie notwendig.
Die am häufigsten angewandten Verfahren sind die Laserhyperthermie (Thermochemotherapie) oder eine adjuvante Brachytherapie [2,16].
Kryokoagulation, Laserkoagulation
Zur lokalen Tumorkontrolle bei peripheren Tumoren wird die Kryokoagulation in der Triple-freeze-thaw-Technik als sehr effektive Methode angesehen. Die ausschließlich thermische Laserkoagulation wird zugunsten der Thermochemotherapie kaum noch angewandt [2].
Lokale Chemotherapie
Lokoregionale (intraarterielle) Chemotherapie
Die lokoregionale (intraarterielle) Chemotherapie von intraokularen Retinoblastomen ist aufgrund einer hohen lokalen Wirkstoffkonzentration und verminderten systemischen Belastung des Patienten vorteilhaft. Die Technik ist seit den 1950er Jahren bekannt und wurde 1987 weiterentwickelt [16]. Nach Vorschieben eines Katheters über die Femoralarterie in die A. carotis, verschloss man zunächst das Versorgungsgebiet des Tumors über eine Ballonokklusion. Dann wurde Melphalan in einer Dosis bis zu 20 mg/m2 Körperoberfläche intraarteriell inji*ziert und das Auge anschließend mit Hyperthermie und Kortikosteroiden behandelt.
Eine New Yorker Arbeitsgruppe hat die Technik der intraarteriellen Chemotherapie zur Behandlung von Retinoblastomen entscheidend vorangebracht. Dabei wird die A. ophthalmica über den gleichen Zugang direkt sondiert (superselektive Therapie), was eine Dosisreduktion auf 3–7,5 mg Melphalan ermöglicht. Die Behandlung zeigt bei der Erhaltung von Retinoblastomaugen der Stadien D und E eine hohe Erfolgsrate (70,2%), wobei nicht vorbehandelte Augen in 80,2% der Fälle erhalten werden konnten. Darüber hinaus kann die intraarterielle Chemotherapie offenbar die Anzahl neu auftretender Retinoblastome im Vergleich zur systemischen Chemotherapie und perkutanen Strahlentherapie reduzieren. Allerdings weist die Datenlage ein relativ niedriges Evidenzniveau auf [2,17].
Mittlerweile gibt es erste Langzeitergebnisse zur Rate an Zweittumoren nach der intraarteriellen Chemotherapie. In einer Nachbeobachtungsfrist von zehn Jahren ermittelte das New Yorker Team bei Patienten mit germinaler Mutation eine Zweittumorrate von 2,7% nach fünf Jahren, was der spontanen Rate von Zweittumoren entspricht. Demzufolge ist das Risiko für maligne Zweittumore nach einer intraarteriellen Chemotherapie nicht erhöht [18].
Intravitreale Therapie
In den letzten Jahren ist die intravitreale Chemotherapie (IVC) zu einer der wichtigsten Therapieoptionen in der Behandlung des Retinoblastoms avanciert. Entgegen den ursprünglichen Bedenken besteht keine Gefahr einer extraokularen Tumoraussaat. Die am häufigsten angewandten Arzneimittel sind Melphalan (25 mg intravitreal) und Topotecan (20 mg intravitreal).
Die Injektion darf jedoch nur unter Einhaltung von besonderen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden (intentionelle Bulbushypotonie durch Parazentese, ggf. Verwendung von Punctum-Plugs und Triple-freeze-thaw-Kryokoagulation an der Injektionsstelle in der Regel in 2 mm Abstand vom Limbus) [2]. Gemäß den vorliegenden Langzeituntersuchungen ist die intravitreale Therapie unter diesen Bedingungen sicher [19].
Die Langzeitergebnisse der New Yorker Gruppe zeigen weiter, dass die intravitreale Therapie auch bei fortgeschrittenem Retinoblastom wirksam und sicher ist – es gibt keine Hinweise auf extraokulares Tumorwachstum oder Retinoblastom-assoziierte Todesfälle. In Abhängigkeit von der Zahl der Injektionen fielen jedoch deutliche Änderungen im ERG (Elektroretinogramm) auf, sodass eine mögliche Toxizität der verwendeten Substanzen (Melphalan und Topotecan) nicht außer Acht gelassen werden sollte [20].
Chirurgische Therapie
Intraokulare Eingriffe sind bei einem Retinoblastom normalerweise kontraindiziert. In der Vergangenheit wurde über Todesfälle nach einer Vitrektomie bei (unentdecktem) Retinoblastom berichtet. Eine indische Forschungsgruppe ermittelte eine Todesrate von 57% nach einer Glaskörperentfernung bei Retinoblastom [21], während eine chinesische Arbeitsgruppe in einer Serie von drei Patienten beschrieb, dass alle an systemischen Tumormetastasen verstarben [22]. Deshalb sollten intraokulare chirurgische Eingriffe in jedem zweifelhaften Fall vermieden werden, bis die Möglichkeit eines latenten Retinoblastoms ausgeschlossen ist.
Nachsorge
Um Tumorrezidive möglichst im Frühstadium erkennen und fokal behandeln zu können, sollten alle PatientInnen, die augenerhaltend behandelt wurden, regelmäßig engmaschige Fundusuntersuchungen in Narkose durchführen lassen. Die Kontrollen sind zunächst im Abstand von drei bis vier Wochen sinnvoll; vom 4. bis zum 6. Lebensjahr ist eine Verlängerung auf halbjährliche Intervalle möglich [2].
Prognose
Dank ständiger Fortschritte in der Diagnostik und Therapie sowie einer verbesserten Früherkennung hat sich die Prognose für Retinoblastom-Patienten in westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. In Deutschland liegt die 15-Jahres-Überlebensrate bei 98% [23].
Doch selbst wenn Kinder mit Retinoblastom überleben, müssen sie oft mit schwerwiegenden Langzeitfolgen wie Sehverlust oder -beeinträchtigung, Gesichtsdeformitäten, posttherapeutischen Problemen wie Hörverlust, Zweitmalignomen und (neuro)psychologischen Problemen kämpfen, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können [23].
Besonderheiten beim trilateralen Retinoblastom
Kinder mit hereditärem Retinoblastom haben ein erhöhtes Risiko, Zweitmalignome zu entwickeln. Diese stellen auch die führende Todesursache bei einem hereditären Retinoblastom dar [24]. Eine seltene und schwerwiegende Komplikation in diesem Zusammenhang ist das trilaterale Retinoblastom. Da diese Tumorform frühzeitig in den Subarachnoidalraum streut, ist die Prognose deutlich schlechter als bei einem Retinoblastom allein [25]. Deshalb ist bei allen PatientInnen mit hereditärem Retinoblastom eine entsprechende Abklärung mit wiederholten MRT-Untersuchungen notwendig.
Prophylaxe
Nach Verabschiedung des Präimplantationsdiagnostikgesetzes (PID) im Jahr 2011 ist auch in Deutschland die Präimplantationsdiagnostik legalisiert worden. Das Gesetz ermöglicht es Paaren unter bestimmten Umständen, bei einer künstlichen Befruchtung bereits vor der Einpflanzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter eine genetische Untersuchung durchführen zu lassen. Damit können an einem hereditären Retinoblastom erkrankte Eltern ein Retinoblastom ihrer Kinder verhindern [2].
Andere Maßnahmen, einem Retinoblastom vorzubeugen, gibt es nicht. Eltern sollten mit ihren Kindern jedoch alle angebotenen Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, um eine Früherkennung zu ermöglichen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist entscheidend dafür, ob das Retinoblastom vollständig geheilt werden kann und das Sehvermögen erhalten bleibt.
Autor:
Dr. Christian Kretschmer (Arzt)
Stand:
19.05.2023
Quelle:
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