Sono Motors musste den Verkaufsstart seines großflächig mit Solarzellen überzogenen Sion mehrfach verschieben – jetzt soll es aber in der zweiten Jahreshälfte 2023 so weit sein. Mit dem finnischen Auftragsfertiger Valmet gibt es bereits einen Vertrag und nach eigenen Angaben sind die Sion-Ingenieure bereits in intensiven Abstimmungsgesprächen mit den Finnen. Allerdings braucht Sono für einen Start der Produktion anscheinend noch frisches Geld. Über mangelnde Vorbestellungen kann sich das Münchner Unternehmen nicht beklagen: Stand 1. Juli 2022 sollen es 19.000 sein – und jede Vorbestellung ist mit einer Anzahlung in Höhe von durchschnittlich 2.225 Euro verbunden, was 42,275 Millionen Euro Einnahmen allein über die Vorbestellungen ausmacht. Außerdem freuen sich die Sono-Verantwortlichen über 19 Business-Projekte, in deren Rahmen sie Busse und Kühl-Lkw mit Solarzellen ausrüsten.
Unsere Highlights
Testfahrzeug-Flotte im Bau
Aktuell baut Sono 37 Serien-Validierungsfahrzeuge, aufgeteilt in 16 komplette Autos und 21 Rohkarossen für Testzwecke. In der Oberfläche des kompakten Sion sind 456 Halb-Solarzellen integriert, die pro Woche im Schnitt Energie für 112 Kilometer Fahrt sammeln sollen (in einer Super-Sonnen-Woche maximal 245 Kilometer). Pro Jahr sollen damit durchschnittlich 5.800 Zusatz-Kilometer zusammenkommen. Nach Hochrechnungen von Sono sorgt dies dafür, dass Sion-Besitzer ihr Auto viermal weniger an Steckdosen nachladen müssen als Fahrer herkömmlicher Elektrofahrzeuge. Die Kapazität der mit bis zu 75 kW nachladbaren 54-kWh-Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) soll für 305 Kilometer reichen. Mit einer Leistung von bis zu elf Kilowatt soll dann der Sion wiederum andere elektrische Verbraucher versorgen können.
Sono
Innen gibt es bereits vor dem Marktstart neue Sitze - das echte Moos zum filtern der Innenluft bekommt auch das spätere Serienmodell.
Permanente Anpassungen bis zum Marktstart
Das bisher bekannte Outfit des Sion haben die Designer ein wenig geändert: Die komplette Front ist etwas aufgefrischt und die Heckleuchten sind anders. Außerdem gibt es jetzt andere Türgriffe, neue Sitze, mehr Stauraum und eine Rückfahrkamera – in den USA ist diese Sicherheitsausstattung für Neuwagen bereits seit 2018 Pflicht. Bis zum Produktionsstart soll es permanent weitere Updates geben. Und an einem ungewöhnlichen Ausstattungsmerkmal hält Sono fest: Echtes Moos soll auch beim Serienmodell auf dem Armaturenbrett wachsen. Den Preis für den Sion musste Sono inzwischen erhöhen: Aktuell soll er beim Marktstart 29.900 kosten.
Schnell umsetzbare Lösungen für Nutzfahrzeuge
Während Sono beim Sion die Solarzellen aufwendig in die Oberfläche integriert, legt das Unternehmen bei seinen Kühl-Lkw- und Bus-Kooperationen die Solarplatten auf die Oberfläche von beispielsweise Anhängern. Sono betont, dass dies Kosten und vor allen Dingen Zeit spart – so können die eingesetzten Nutzfahrzeuge so schnell wie möglich Solarenergie nutzen. Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ist bereits mit dem Prototyp eines Bus-Anhängers unterwegs, auf dessen Dach Solarzellen montiert sind, die bis zu zwei Kilowatt leisten. Diese helfen bei der Energieversorgung von Klimaanlage, Heizung und weiteren elektrischen Verbrauchern. Sogenannte Bus-Züge setzt die MVG bereits seit 2011 ein – den Betrieb solcher Gespanne muss das jeweilige Verkehrsministerium des Landes mit einer Ausnahmegenehmigung von § 32a StVZO gemäß § 70 StVZO erteilen. Bei seinem französischen Partner, dem Kühltransporter-Hersteller Chereau, rüstet Sono die Sattelauflieger mit Solarzellen aus – und zwar deren komplettes Dach und zudem die obere Hälfte der Seitenflächen. Das bringt in der Spitze 9,8 kW Leistung und unterstützt die Energieversorgung des Kühlsystems. Wie beim Sion, so sollen auch die Solarzellen bei Bussen und Lkw Waschanlagen problemlos überstehen – aktuell laufen die dazu nötigen Tests.
Vor dem Produktionsstart gibt es bereits neue Rückleuchten, einen größeren Kofferraum und eine Rückfahrkamera.
Erster Prototyp war schon 2017 fertig
Schon 2017 hat das Münchner Start-up Sono Motors den ersten Prototypen seines Elektroautos Sion vorgestellt. Mit diversen Events und einer Probefahrtentour durch Europa konnte Sono Motors bislang 13.000 Kundenreservierungen mit im Schnitt 3000 Euro Anzahlung einsammeln. Mehr als 90 Prozent der potenziellen Käufer hatten in Umfragen für eine größere Batterie gestimmt, wie das Unternehmen im Juni 2021 bekannt gab. Deshalb bekommt der Sion jetzt statt des bisher geplanten 35-kWh-Akkus einen mit 54 kWh brutto. Die Lithium-Eisen-Phosphat-Zellen fügt ein schwäbisches Unternehmen zu einem Akkupack zusammen. Die Reichweite (ohne Solarunterstützung) steigt damit laut Sono von 255 auf 305 Kilometer. Gleichzeitig stieg die maximale Ladeleistung von 50 auf 75 kW. Und der CO₂-Ausstoß bei der Produktion des Akkus, den Sono natürlich kompensiert, von 2,7 auf 4,1 Tonnen.
Im Rahmen der digital abgehaltenen CES 2021 konnte Sono Motors den zweiten Prototypen des Solar-Elektroautos Sion präsentieren. Damit näherten sich die Münchner spürbar einer Serienversion. So kommen etwa Antriebsstrang, Elektronik, Thermo-Management, Chassis, Onboard-Charger, Audiosystem und Rad-Reifen-Kombination von Serien-Zulieferern. Der Elektromotor an der Vorderachse beispielsweise stammt wie die Reifen von Continental und liefert eine Peak-Leistung von 163 PS, eine Dauerleistung von 60 kW und ein Drehmoment von 270 Newtonmetern. Als Höchstgeschwindigkeit gibt Sono Motors 140 km/h an, 100 km/h soll der Solarwagen in weniger als 9 Sekunden aus dem Stand erreichen können. Wie der Sion fährt, konnten wir bereits ausprobieren.
In der ersten Hälfte des Jahres 2023 soll der Auftragsfertiger NEVS im ehemaligen Saab-Werk von Trollhättan beginnen, jährlich bis zu 43.000 Sion mit einhundert Prozent erneuerbarer Energie produzieren. Insgesamt werden in Trollhättan über einen Zeitraum von sieben Jahren zunächst 257.000 Fahrzeuge vom Band laufen.
Solarzellen auf der ganzen Karosse
Das Besondere am Sion sind natürlich die Solarzellen: Unter einem matten Finish sitzen überall auf der Karosserie Fotovoltaik-Komponenten, die das Auto über ein zentrales Steuermodul mit Strom versorgen. Für den zweiten Prototyp wählt Sono Motors eine neue Zellenform, die sich besser über die Flächen und Wölbungen der Karosserie spannt und so eine größere Fläche ausnutzt. Die Zellen sitzen in einer Polymer-Beplankung des Alu-Spaceframes. Eine Lackierung muss der chinesische Auftragsfertiger daher nicht einplanen. Der Kunststoff ist durchgefärbt, beim Sion immer in Schwarz.
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Solarpanels auf der Karosserie versorgen den Sion mit Strom
Die mehr als 248 nahtlos integrierten Zellen können der Batterie laut Sono Motors Energie für bis zu 245 km (durchschnittlich 112 km) zusätzliche Reichweite pro Woche zuführen. Eine bidirektionale Ladefunktion ermöglicht außerdem nicht nur die Entnahme und Speicherung von Energie, sondern auch die Möglichkeit, diese zu teilen und elektronische Geräte (mit bis zu 3,7 kW über einen Schuko-Haushaltsstecker) oder andere Elektrofahrzeuge (mit bis zu 11 kW) mit Strom zu versorgen oder zu laden.
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Die Solarzellen sitzen nahezu überall auf der Karosse, die Ladeklappe mit drei Buchsen zwischen den Scheinwerfern.
Der Sion öffnet per App
Das Infotainment-System und die zugehörige Sono-App funktionieren schon und sind mit dem Fahrzeug verbunden. Keyless Entry, Klimasteuerung oder Ambient-Light-Konfiguration funktionieren etwa schon wie in einem Serienprodukt. Die App spielt eine zentrale Rolle im Sion-Universum. Sie ermöglicht nicht nur den Abruf von Fahrzeugdaten, sondern kann das Auto beispielsweise auch in einen Sharing-Pool integrieren oder den Standort für Ride-Pooling an andere Nutzer senden. Außerdem lässt sich das Solarauto als mobiles Kraftwerk nutzen und versorgt den Halter oder Dritte bei Bedarf mit Strom. Entwickelt wurde die Anwendung in Eigenregie.
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Den roten Not-Aus-Knopf auf der Mittelkonsole hat nur der Prototyp.
Äußerlich bleibt der Sion seiner pragmatischen Form treu, ist aber deutlich gewachsen. Er misst fortan 4,47 Meter in der Länge, hat eine Gesamtbreite inklusive Außenspiegel von 2,08 Meter und eine Höhe von 1,66 Meter.
Das Design erinnert an klassische Vans, ein Gegenpol zum vorherrschenden SUV-Trend. Hinter den geraden Flächen stecken neben günstigen Produktionsmethoden auch technische Gründe, nämlich die oben genannten Solar-Module auf der Außenhaut.
Wenig Extras, aber eine Anhängerkupplung
Die Struktur des Sion-Modellprogramms soll für eine einfache Logistik maximal reduziert sein. Nachdem Kundenbefragungen das Interesse nach einer Anhängerkupplung ergeben haben, wird der Sion den Haken am Heck serienmäßig bekommen. Der dürfte allerdings vor allem als Halter für eine Fahrradträger taugen, denn wegen der Belastungsgrenze des Motors kann der Sion nicht viel ziehen. Alle Autos werden, wie einst das Ford Model T, in Schwarz ausgeliefert. Weitere Fahrzeugmodelle auf der Sion-Plattform sind geplant.
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Der Moos-Luftfilter unterhalb des Armaturenträgers
Im Vergleich zu den ersten Prototypen hat sich der Innenraum nochmals gewandelt. Hier hat Sono Motors weiter aufgeräumt und die Bedienelemente reduziert. Nur ein Start-Stopp-Knopf soll in der Serie noch dazukommen. Alle Anwendungen sind über ein neugestaltetes 10 Zoll großes Zentraldisplay steuerbar. Es zeigt zudem die relevanten Fahrzeuginfos und Verbrauchsdaten an. Apple-CarPlay und Android-Auto sind integriert. Der Hingucker im Sion ist jedoch "Bresono", der natürliche Moos-Luftfilter unterhalb des Armaturenträgers, der das Raumklima und die Feinstaubbelastung verbessern soll.
Das Gepäck für die maximal fünf Passagiere lässt sich im 650 Liter großen Kofferraum unterbringen. Bei Bedarf ist der Stauraum zuungunsten der hinteren Mitfahrer auf 1.250 Liter erweiterbar. Zu kaufen sein wird der Sion ausschließlich online. Probefahrten will Sono Motors über einen speziellen Zugang für Interessenten in der App ermöglichen.